Es ist Mitte September und wir machen uns auf den Weg nach Kolumbien. Die Strecke von Aruba, am Nordende von Kolumbien vorbei, ist bei den Seglern berüchtigt für starken Wind und ekelhafte Wellen. Die Passatwinde schaukeln das karibische Meer ab dem Antillengürtel Richtung Panama immer weiter auf und die Küste Kolumbiens gilt als besonders fies. Wir merken nichts davon. Zum einen sind die Passatwinde im Sommer am schwächsten und dann ziehen die Tiefs weiter nördlich in der Karibik, die dort für tropische Stürme und Hurrikans sorgen, bei uns im Süden der Karibik das letzte bisschen Wind ab. Bei absoluter Flaute und Wellen wie im Mittelmeer sind wir mal wieder mit Motorkraft unterwegs.

Wir haben uns entschieden, nicht direkt zu unserem Ziel Santa Marta durch zu fahren, sondern erst den einsamen Norden von Kolumbien an zu laufen. Dank Loud von der Segelyacht Rafiki haben wir gutes Kartenmaterial und Infos für Ankerplätze. Bisher ist das Ankommen in einem neuen Land immer ähnlich abgelaufen: Anlegen, Einreiseformalitäten erledigen, Infrastruktur abchecken, Geld wechseln, Lebensmittelladen, SIM-Karte, Cocktails.

Diesmal ist es anders. Unser erster Stop ist im Nichts der wüstenhaften Guajira-Halbinsel. Wir ankern „halblegal“ mit gesetzter gelber Flagge in der Bahia Honda. (Kleine Laien-Flaggenkunde: Man hat hinten am Boot die Flagge, unter der das Schiff registriert ist und rechts vom Mast, höher als die eigene Flagge, die Gastlandflagge. Die gelbe Flagge alternativ dazu, wenn man noch nicht offiziell ins Gastland eingereist ist, heißt „Alle gesund bei uns, bitten um freie Verkehrserlaubnis.“) Die Bucht ist groß, 10km Durchmesser, und fast unbewohnt. Es gibt ein paar Fischerfamilien, deren Häuser man hinter den Sanddünen sehen kann. Der erste Besuch kommt bald auf dem gemeinsamen Boot des Dorfes vorbei. Nino und seine Kumpels sind nett und genauso neugierig wie wir. Sie schnorren ein paar Päckchen Nudeln und Trinkwasser und plaudern mit uns über unser Boot und ihre Fischerkenntnisse. Am nächsten Tag machen wir Tauschgeschäfte gegen Fisch. Geld haben wir ja noch keines.

Dann Weiterfahrt nach Cabo de la Vela. Immer noch Wüste. Aber hier beginnt langsam die Infrastruktur. Eine lange staubige Straße, Hütten links und rechts, überall wird Essen angeboten, es gibt ein paar Hängemattencamps und Kitesurfer. Und einen Funkturm. Der funkt aber nicht. Wir bleiben also offline. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal, außer draußen auf dem Meer, längere Zeit an Land ohne Telefon und Internet war. Und das am 24.9.! Bundestagswahl und wir bekommen nichts mit. Zunächst bleiben Flo, Harald und ich cool. „Ändern können wir eh nichts, die Ergebnisse langen auch ein paar Tage später.“ Quatsch, unsere digitale Enthaltsamkeit wärt nur bis zu unserer gefühlten Schließung der Wahllokale. Um 18:00 Ortszeit werfen wir das Satellitentelefon an und holen uns die Ergebnisse aus dem All. Und dann versenken wir unsere ersten schwarz gewechselten Pesos in der Strandbar.

Noch 130 Seemeilen in die Zivilisation. Wir machen noch einen Zwischenstop im Tayrona Nationalpark. Nach mehreren Wochen Wüstenlandschaft auf den ABC-Inseln und in Kolumbien wieder sattes Grün vor den Augen ist wunderschön. Weiße Strände vor tropischem Regenwald und der Sierra Nevada de Santa Marta. Hier treffen wir das erste Mal auf die Küstenwache. Die interessiert sich aber weder für unsere gelbe Flagge noch für eine Nationalparkerlaubnis. Sie schauen mir ein bisschen beim ansteuern des Ankerplatzes im Bikini zu, winken dann freundlich und düsen weiter.